Bild: Napalm Records

Hauptmann Feuerschwanz im Interview

​Am 26. Juni veröffentlichten die mittelalterlichen Lords und Ladys von Feuerschwanz mit „Das elfte Gebot" bereits ihr neuntes Studioalbum via Napalm Records. Erneut frönten die tapferen Recken aus dem Großraum Erlangen ihrem einmaligen Mix aus Mittelalter-Folk-Metal und abenteuerlichen Lyrics mit frechem Augenzwinkern. Erst vor wenigen Tagen folgte dann mit „Meister der Minne" ein neues Musikvideo, passend dazu traf sich unsere Österreich-Korrespondentin Marion Rimser nun zum virtuellen Dialog mit Hauptmann Feuerschwanz höchstpersönlich. Viel Spaß beim Lesen!

Wie geht es dir/ euch in dieser schweren Zeit; Stichwort Corona als Musiker/ Künstler?

Hauptmann: Wie für alle war es erstmal ein Schock und wir haben angefangen, sehr viel zu skypen. Das haben wir vorher so auch noch nicht gemacht, wir haben Videokonferenzen geführt, erstmal nur, um uns zu sehen. Das Krasse war, dass du dein Sozialleben verlierst und die normalen Routinen. Einige von uns haben eine Familie gegründet, manche nicht. Ich zum Beispiel habe es ganz arg gebraucht, die anderen zu sehen und mit ihnen zu reden. Das war die Anfangszeit. Dann haben wir überlegen müssen, wie es weitergeht. Keine Konzerte werden stattfinden. Es war relativ bald klar, dass dieser Sommer den Bach runter geht.

Was macht der Hauptmann, wenn es derzeit keine Gigs gibt?

Hauptmann: Der Hauptmann selbst hat noch ein Back-up, seine zweite Persönlichkeit ist Psychologe. Meine psychologische Praxis war nicht ganz so schlimm betroffen. Es hat sechs bis acht Wochen gedauert, bis die Patienten wiederkamen.

Wahrscheinlich verstärkt?

Hauptmann: Ja. Es ist natürlich für die Leute, die belastet sind, noch belastender, mit sozialen Einschränkungen zu leben. Wir bei Feuerschwanz sind eigentlich schon Profis und das heißt, dass wir schon einen beachtlichen Teil unseres Einkommens verlieren und deshalb ist es jetzt für ein Release-Konzert total wichtig, etwas zu tun.

Gibt es bei euch in Deutschland auch etwas, damit man als Künstler zur Corona-Zeit vom Staat unterstützt wird?

Hauptmann: Ja. Es gab ein Sofortprogramm, da habe ich aber bis jetzt nichts gehört, obwohl ich für Feuerschwanz eingereicht habe. Bis jetzt (Stand: Juni 2020) bekam ich keine Rückmeldung, aber ich hoffe noch darauf. Andere Bands haben schon eine Rückmeldung erhalten. Das wäre vorerst eine Überbrückung der letzten drei Monate Verdienstausfall. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich hoffe noch darauf, dass wir das auch bekommen werden. Jetzt arbeiten wir gerade an einem Release-Konzert. Wir haben das auch noch nie gemacht, aber im Prinzip ist es wie ein Festival - nur ohne Live-Publikum. Wir müssen technisch mehr organisieren, weil wir komplett mit Kameraleuten arbeiten, die dann die Übertragung machen. Es gilt noch eine Ebene mehr zu organisieren.

Ich muss nochmals zu eurer Anfangszeit zurückkommen, denn es gibt sicher noch Leute, die Feuerschwanz (noch) nicht kennen und das wollen wir ja ändern. Es gibt euch seit dem Jahr 2000 mit dir als Mitgründer und 2004 hattet ihr euer Debüt. Kannst du in ein paar Sätzen sagen, wie die Band zustande gekommen ist?

Hauptmann: Ich habe mit einer anderen Band in der Mittelalter-Szene angefangen und fand diese Szene wunderbar, weil es war möglich, seine eigene Kreativität einzubringen. Es war am Anfang sehr frei ohne Vorlagen und das hat mir sehr gut gefallen. Als diese Band damals auseinanderging, beschloss ich selbst, eine zu gründen und so fing Feuerschwanz an. Weil die Mittelalterszene noch recht ernst war, eigentlich geprägt von der schwarzen Szene (wie Gothic, Wave, Metal etc.), dachte ich mir, da wäre ein frischer Wind ganz gut. Wir bauten es vorerst provozierend und lustig auf. Da war Feuerschwanz, glaube ich, schon die erste Band, die das musikalisch so umgesetzt hat. Natürlich gab und gibt es Gaukler, aber musikalisch waren wir eine der ersten Bands, die das so brutal durchgezogen haben. So entstand Feuerschwanz. Dann, von Jahr zu Jahr, haben wir dazugelernt. Unsere Entwicklung kommt tatsächlich von innen. Wir sind mit der Szene mitgewachsen und von den Märkten als lustige, trashige und betrunkene Band immer mehr zum rockigen Sound und professionell geworden. Mit Crew etc., die es natürlich nicht mag, wenn man zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist. Mit der Professionalität wurde meiner Meinung nach unsere Musik immer schöner. Das hat mich herausgefordert, Musik mitzuschreiben, wir machen jetzt alles als Team. Einer allein bei uns wäre nicht fähig, die Band zu stemmen. Wir können nur als Team das so rüberbringen, wie es ist.

Verrate uns doch bitte, wie es zu dem Namen Feuerschwanz gekommen ist!

Hauptmann: Ich als Hauptmann habe mich schon länger mit der nordischen Mythologie beschäftigt und erzähle euch jetzt die Geschichte dazu. Mich besuchte einmal ein älterer Herr, der witzigerweise zwei Raben auf der Schulter und nur mehr ein Auge hatte. Dieser lud mich zum Mettrinken ein und sagte zu mir: „Hauptmann, wie sieht es aus, welche Wünsche hast Du im Leben?" Ich beichtete ihm, dass ich gerne Rockstar werden würde und er sagte nach der ersten geleerten Met-Flasche: „Naja, das könnten wir schon möglich machen, ich hätte nur zwei Bedingungen." Da war ich erstmal überrascht, dass es nicht drei Bedingungen waren und willigte sofort ein. Er öffnete die zweite Flasche Met und ich sagte zu ihm: „Lass deine Bedingungen hören, alter Wanderer." „Du musst auf jeden Fall, wenn du Rockstar werden willst, mittelalterliche Musik machen", sagte er. Ich willigte sofort ein, weil ich ja sowieso schon in der Szene unterwegs war und dann sagte er: „Du musst deine Band Feuerschwanz nennen." Im Grunde habe ich den Namen nur von einem einäugigen, alten Mann mit zwei Raben auf der Schulter beim Metsaufen aufgeschnappt. Darum heißt die Band Feuerschwanz und nachdem sie beim Mettrinken entstanden ist, ist Met unser richtiges Getränk.

Wo spielt ihr lieber, auf Festivals, eigenen Konzerten oder auf Mittelalterfesten?

Hauptmann: Das ist eine sehr schwierige Frage, denn jedes Genre hat seinen eigenen Reiz. Im Laufe der Zeit ist es natürlich toll, mit Herausforderungen umzugehen. Jetzt bei unserer 15 Jahre-Tour war es schon schön, eigene Konzerte in Hallen zu spielen. Wir hatten auch tolle Bands dabei, mit denen wir uns gut verstanden haben. Das war ein schöner Rahmen, so zu spielen. Es war auch das letzte Mal, dass wir gespielt haben und deshalb habe ich es natürlich besonders gut in Erinnerung. Also eigene Konzerte sind für einen Musiker, der lange dafür gearbeitet hat, dass Menschen zu ihm kommen, natürlich die beste Möglichkeit, Spaß und Beruf zusammenzubringen. Festivals haben das Tolle, dass du mit sehr vielen Bands einen Austausch hast und die Gespräche mit anderen Bands bringen einen immer weiter. Da kann ich mich im Moment nicht wirklich entscheiden. Die Mittelaltermärkte sind natürlich unsere Wurzeln, dahin kehren wir immer wieder gerne zurück. Meistens finden diese auch in der freien Natur statt und das hat schon einen besonderen Flair, daher kann ich mich wirklich nicht entscheiden. Das Letzte, was wir erlebt haben, war unsere Hallen-Tour, der hänge ich schon sehr nach. Das waren unsere letzten Konzerte vor Corona. Was ich aber schon auch sehr vermisse im Sommer, sind die Festivals und Mittelalterkonzerte.

Ihr hattet einen Auftritt beim Fernsehgarten und da wollte ich nur erwähnen, dass meine Mama mit 70 Jahren total von euch geschwärmt hat.

Hauptmann: Es ist tatsächlich so, dass durch den Auftritt beim Fernsehgarten sich unser Album mitentwickelt hat. Bei Amazon ist danach unser Album bei den Metal-Charts auf Platz 1 gegangen. Das hätten wir nicht erwartet, da das Publikum dieser Show doch älter ist. Dass wir da angekommen sind, hat uns überrascht und freut uns natürlich umso mehr. Das heißt ja wohl, dass Rock-Musik mit keltischen Elementen durchaus auch ältere Menschen ansprechen kann.

Euer neues Album „Das elfte Gebot" erschien am 26. Juni. Gibt es davon einen Song, der dir besonders am Herzen liegt und warum gerade dieser?

Hauptmann: Als Sänger muss ich schon sagen, dass „Das elfte Gebot" das intensivste war, was ich je singen durfte. Das hat auch in mir neue Türen geöffnet. Den Text zu interpretieren, heißt schon auch, in die Emotion tiefer zu gehen und das war toll. Ganz persönlich gefällt mir der Song „Schildmaid" sehr gut. Ich finde das als Texter eine interessante Kombination, die Kriegerin zu besingen, die eigentlich sehr mordlüstern ist, aber auch gerne feiert und schwer zu kriegen ist. Das ist für mich das Frauenbild der Moderne, aber gepaart mit dem Kriegerischen, weil wir doch sehr Fantasy-Nerds sind und gleichzeitig auch Schlachten- und Geschichts-Nerds. Darum ist die Schildmaid mein Favorite-Song, textlich und musikalisch in Kombination.

Nochmals zu deiner Person. War die Mittelaltermusik immer schon deine Musik oder hattest du als Kind/ Jugendlicher andere musikalische Vorlieben?

Hauptmann: Als Pubertierender habe ich tatsächlich mit Metal angefangen. Ich bin über den Metal zur Musik gekommen und natürlich musste ich mich erstmal als Musiker finden. Im Grunde bin ich aber vom Metal wieder weggekommen. Das ist sehr interessant, dass wir mit Feuerschwanz einen härteren Sound anschlagen und dadurch werden wir in der Metal-Szene mehr beachtet. Somit bin ich im Grunde genommen wieder zur Metal-Szene zurückgekommen. Ich bin genau in der Szene wieder gelandet, in der ich angefangen habe, für die ich mich als Fan interessiert habe und stehe jetzt aber selbst auf der Bühne, das finde ich eine runde Sache. Ich fühle mich wohl damit, dass ich den Sound wiedergefunden habe, den ich als Jugendlicher schon sehr cool fand. Damals bin ich mit Freunden bei Konzerten abgegangen und die ersten prägenden Erlebnisse hatte ich auch in dieser Zeit. Wir haben aber zusätzlich noch den mittelalterlichen, keltischen Touch mit dabei. Somit bringen wir in die Metal-Szene noch etwas Eigenes mit rein und das freut mich umso mehr, weil diese Szene verdient es, belebt zu sein und wir möchten ein Teil davon sein.

Privat hörst du auch wieder Metal?

Hauptmann: Ja, voll. Jetzt natürlich auch noch viel mehr durch die letzten beiden Alben. Das ist tatsächlich auch privat eine innere Wandlung.

Welcher Sänger/ welche Band ist dein Vorbild?

Hauptmann: Da gibt es verschiedene Kategorien für mich. Die künstlerische Kategorie, wen ich da einfach bewundere, das ist dann eher die Fan-Seite von mir und da sind Sänger wie Ronnie James Dio oder Iron Maiden, die in den 80ern schon so große Shows zustande gebracht haben. Als Gründer einer Band finde ich Bands wichtig, die einen familiären Zusammenhalt haben, wie Flogging Molly oder Dropkick Murphys, so irische Bands sind für mich wichtig, wo es keine Stars in der Band gibt, sondern die nur funktionieren, wenn alle mitmachen und da wird auch keiner vergessen. Diese Kombination brauche ich als familiären und künstlerischen Input. Was ich aber schon auch mag, ist das anstrengende, dass man mal etwas macht, was nicht alle hören wollen oder Dinge tut, die die einen lustig finden und die anderen scheiße, einfach polarisieren. Da muss ich mit einem Beispiel fast in die Comedy gehen, da finde ich Künstler wie Joko und Klaas ganz gut, die sehr an die Grenzen gehen, die aber auch mitleiden müssen, das finde ich sehr gut. Das sind so meine Vorbilder.

Gibt es schon geplante Festivals für 2021?

Hauptmann: Ja, aber es ändert sich gerade von Woche zu Woche. Ich denke, es wird momentan bei allen Bands so sein, dass das Jahr 2020 in das Jahr 2021 übertragen werden soll. Das wird bei uns nicht mit allen Festivals so klappen, aber die meisten werden wir nachholen und wir hoffen alle inständig, dass es bis dahin wieder möglich sein wird. Im nächsten Jahr hoffe ich doch, dass wir den Großteil der Shows, die wir jetzt hätten spielen sollen, veranstalten können. Ich hoffe auch auf die eine oder andere neue Show, aber es sieht eher so aus, als würde sich 2020 auf das Jahr 2021 übertragen. Das wäre wahrscheinlich für alle Beteiligten am einfachsten.

Gibt es eventuell schon Pläne für Wacken 2021?

Hauptmann: Wacken und Feuerschwanz nähern sich so an, dass wir uns gerade beschnuppern, ob Feuerschwanz nicht etwas für die große Bühne wäre, sag ich jetzt mal. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass es sehr viel damit zu tun hat, wie das neue Album einschlägt. Das werden die Veranstalter von Wacken bestimmt bemerken. Entweder im nächsten oder übernächsten Jahr hätte ich die Fantasie, dass wir auf einer der großen Bühnen spielen werden, aber es ist nichts spruchreif. Wenn ich mir ganz arg was wünsche, dann geht es zumeist in Erfüllung, aber dann muss man auch dahinter stehen und das tue ich! Ich möchte in Wacken in meinem Dasein noch einmal auf einer der großen Bühnen stehen und daran arbeiten wir gerade.

Corona wird in die Geschichte eingehen, genauso wie das Mittelalter. Hast du dazu auch einen Satz, der mit in diese Geschichte eingehen soll?

Hauptmann: Naja, jetzt muss ich wohl ein altes Lied von Feuerschwanz zitieren: „Hurra, hurra die Pest ist da!" Das ist ein besonderer Song, weil im Zustand des Sterbens eine Party gemacht wird. Das haben wir jetzt bei Corona nicht erlebt, habe ich jedenfalls den Eindruck, also wir haben nicht gefeiert, aber ich möchte diesen Song mit einbringen, weil es im Mittelalter wirklich passiert ist und da war dann auch schon alles egal. Da sind ganze Familien gestorben und im Grunde war klar, dass das ganze Dorf sterben wird. Das ist bei Corona zum Glück nicht der Fall, bei uns zumindest. Trotzdem möchte ich diesen Song einbringen, weil es eine ganz besondere Mischung von Gefühlen ist, in der Todesangst noch zu feiern.