Alien
Northlane
Da fehlen einem fast schon die Worte. Northlane zählen locker seit Anbeginn ihrer Zeit zu jenen Bands des progressiv techigen Spektrums, die mit jedem Release schlicht und ergreifend abliefern. Doch der Wechsel an vorderster Mikrofonfront weg von Adrian Fitipaldes hin zu Marcus Bridge hat zunächst mal eine Reaktion unter den Fans der Jungs ausgelöst: Zweifel. Viele Fans waren nach zwei grandiosen Alben, in denen sich die Australier ihrer Zeit unendlich weit voraus präsentierten („Discoveries", 2011 und „Singularity", 2013), maximal vorsichtig, als Captain Adrian das alles andere als sinkende Schiff verließ und Smutje Marcus kurzerhand das Ruder überließ. Trotz der ganz offensichtlichen Qualitäten des neuen Frontmanns wurde das erste Album der teilerneuerten Formation leider mit gemischten Gefühlen aufgenommen („Node", 2015), erst mit dem überragenden 2017er Überraschungsrelease „Mesmer" konnten Marcus und seine Down Under-Boys den Verlust Adrians bei einem Großteil der Fans vergessen machen. Jetzt melden sich Northlane zwei Jahre später mit neuem Material zurück - und liefern mit „Alien" das bisher tiefgründigste, aufreibendste und kunstvollste Machwerk ihrer bisherigen Schaffenszeit ab.
Schon die „Bloodline"-Single zeigte in etlichen Facetten, dass sich einiges im Hause Northlane verändert hat. Abgesehen von Marcus' neuer Frisur - steht ihm - und spacig abgefahrenen Bodysuits klang der erste Vorgeschmack auf „Alien" ungewohnt elektronisch, zuweilen gar fast wie ein Doom- oder Industrial-Track und hätte sich so auch problemlos auf einem frühen „Underworld"-Film-OST verstecken können. Trotzdem war stets auch der klassische Northlane-Charakter spürbar, der mit komplexen Strukturen, fies tief getunten Riffs und aufwendigem Songwriting besticht. Ein Gefühl, das die Jungs letztlich über die gesamte Laufzeit der neuen Scheibe versprühen und sich gleichzeitig so divers und abwechslungsreich wie nie zuvor präsentieren können. Ob als UK Garage-Ballade („Rift"), als scheppernde Metalcore-Dampframme mit herrlich feinfühliger Architects-Referenz („Freefall") oder gar als hundertzehnprozentige Industrial-EDM-Nummer („Eclipse") - langweilig und austauschbar geht locker anders.
Doch die frisch erschlossenen Synth-Sounds, die dank analoger Samplingtechniken unglaublich organisch und vollmundig klingen, sind nur die Spitze des neuen Northlane-Ayers Rock. Vor allem textlich präsentieren sich Marcus und Co. auf „Alien" überraschend emotional, fast grüblerisch. Ähnlich wie einst Sting als Legal Alien durch New York schlenderte, ist der spacige Ansatz Northlanes schlicht metaphorisches Mittel zum Zweck. So außerweltlich sich die Australier auf ihrem fünften Album auch präsentieren, so menschlich, echt und nahbar gestalten sich die Themen der neuen Platte: Verlust, Neid, Schmerz. Ein Gesamtkunstwerk, das seinesgleichen sucht und in keiner runden Metal-Sammlung fehlen darf.
Vielleicht geben nun auch die letzten verzweifelten Adrian-Jünger endlich mal klein bei: Mit Album Nummer 5 im zehnten Jahr errichten sich Northlane ganz selbst ein Denkmal.
Genre Metalcore / Progressive Metal | Label UNFD | Vertrieb Bertus | erhältlich ab 02.08.2019
TRACKLIST
- Details Matter
- Bloodline
- 4D
- Talking Heads
- Freefall
- Jinn
- Eclipse
- Rift
- Paradigm
- Vultures
- Sleepless
Jon liebt es, mit synthetischen Sounds herumzuspielen und wird generell stark von allen möglichen elektronischen Genres beeinflusst. Elemente aus anderen Genres und Styles herauszuziehen hilft uns dabei, neue Sichtweisen auf unseren Schreibprozess zu finden.
Marcus Bridge via STACK